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Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Ätiologie, Prävention und Therapie

Unter besonderer Berücksichtigung psychosozialer Faktoren

AutorVerena Rätzel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl145 Seiten
ISBN9783638636438
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,3, Fachhochschule Münster, 101 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Ziel dieser Arbeit ist es, herauszustellen, welche präventiven und therapeutischen Maßnahmen erforderlich und erfolgreich sind, um Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zu vermeiden, bzw. zu behandeln. Die Frage nach geeigneten Präventions- und Therapieprogrammen lässt sich nur nach Klärung der Ursachen und Folgen der Adipositas im Kindes- und Jugendalter beantworten. So stellt die Erfassung der Ätiologie und der Konsequenzen ein Teilziel dieser Arbeit dar. Des Weiteren sollen durch diese Arbeit mögliche Ansatzpunkte für die sozialpädagogische Arbeit aufgezeigt werden. Es soll verdeutlicht werden, wie wichtig die psychosozialen Faktoren nicht nur im Hinblick auf die Sozialpädagogik sondern auch im Bezug auf die Präventions- und Therapiemaßnahmen sind.

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Leseprobe

2 Definition und Klassifikation der kindlichen und juvenilen Adipositas


 

2.1 Klärung und Definition der wichtigsten Begriffe


 

Die Begriffe „Übergewicht“, „Fettsucht“, „Fettleibigkeit“ und „Adipositas“ werden trotz ihrer unterschiedlichen Bedeutungen häufig synonym verwendet.[6]

 

Es ist notwendig, eine genaue Trennung vorzunehmen.

 

Im 19. Jahrhundert nannte man eine übermäßige Fettansammlung im Körper „Fettleibigkeit“, „Dickleibigkeit“ oder auch „Fettigkeit“.[7] Diese Begriffe sollten nicht mehr verwendet werden, da sie veraltet und negativ besetzt sind.

 

Heutzutage wird ein erhöhter Anteil des Fettgewebes an der Körpermasse als Adipositas bezeichnet.[8] Während bei der Adipositas demnach die Fettmasse im Körper ausschlaggebend ist, liegt Übergewicht vor, wenn das körperhöhenbezogene Körpergewicht ein bestimmtes Maß übersteigt. Der Unterschied zwischen Adipositas und Übergewicht wird an Bodybuildern, die eine erhöhte Körpermasse, aber nicht übermäßig viel Körperfett aufweisen, deutlich. Übergewichtige sind nicht zwangsläufig adipös, aber Adipöse sind in den meisten Fällen auch übergewichtig.[9]

 

Der Begriff „Fettsucht“ ist mit dem Begriff „Adipositas“ gleichzusetzen und obwohl er weit verbreitet ist, kritisch zu sehen. „Fettsucht“ ist missverständlich und ähnlich wie „Fettleibigkeit“ negativ besetzt. Eine Klassifizierung durch solch einen Begriff verstärkt die soziale Diskriminierung, der adipöse Menschen ausgesetzt sind. Zudem hat Adipositas in den meisten Fällen nichts mit Sucht nach Fett zu tun. Des Weiteren täuscht der Begriff „Fettsucht“ eine gewisse Gegensätzlichkeit zur Magersucht vor.

 

Die Anorexia nervosa kann nicht als das „Gegenteil“ der Adipositas aufgefasst werden, da im Gegensatz zur Anorexia nervosa bei der Adipositas nicht grundsätzlich von einer psychischen Störung ausgegangen wird.[10]

 

Eine Adipositas, die mit psychischen Störungen verbunden ist, wird in der Fachliteratur nicht mit einer eigenen Bezeichnung versehen. Im Internet dagegen benutzen vor allem Spezialkliniken häufig den Begriff „psychogene Adipositas“. Die Rheinische Klinik Essen formuliert: „"Psychogene Adipositas" stellt eine Untergruppe der Erkrankung dar. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine Vielzahl psychischer Störungen, v.a. jedoch Störungen des Essverhaltens wie die Binge-Eating-Störung, oder depressive Störungen, die mit einer übermäßig kalorienreichen Ernährung einhergehen ("Essen aus Kummer", "Kummerspeck").“[11]

 

Die Klinik am Korso beschreibt die „psychogene Adipositas“ folgendermaßen: „Die Adipositas gilt nur in Verbindung mit einer der folgenden psychischen Störungen als "psychogene Essstörung". Vom Essverhalten her wird der Typ "Daueresser" (E66 + F50.8) vom Typ mit Essanfällen - "binge-eater" - (E66 + F50.4) unterschieden.“[12]

 

Adipositas ist also in erster Linie keine Essstörung. In dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association DSM IV wird die Adipositas nicht aufgeführt, da sie nicht direkt mit psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten einher geht.[13] Im Klassifikationsschema ICD - 10 (International Classification of Diseases and Related Health Problems 10. Auflage) wird die „Adipositas und sonstige Überernährung“ (E65-E68) als Ernährungs- und Stoffwechselkrankheit bezeichnet. Die häufigste Form der Adipositas ist die Adipositas durch übermässige Kalorienzufuhr (E66.0). Es kommen aber durchaus auch andere Ursachen (z.B. Arzneimittel-induzierte Adipositas, Adipositas bei alveolärer Hypoventilation = Pickwick-Syndrom) in Frage. In solchen Fällen wird von einer sekundären Adipositas gesprochen.[14] Als Verhaltensauffälligkeit mit körperlichen Störungen und Faktoren gelten „Eßattacken bei anderen psychischen Störungen“ (F50.4) sowie „sonstige Essstörungen“ (F50.8).

 

2.2 Definition der Adipositas im Kindes- und Jugendalter


 

„Eine Adipositas besteht, wenn der Anteil des Fettgewebes an der Gesamtkörpermasse über eine definierte Grenze kritisch erhöht ist.“[15]

 

Die Definition der Adipositas erfordert demnach die Bestimmung der Fettmasse und eine Festlegung, ab welchem Volumen eine erhöhte Fettmasse vorliegt.[16] Der exakte Fettanteil des Körpers ist nur mit aufwändigen und kostspieligen Methoden zu bestimmen. Zu diesen Methoden gehören die Densitometrie, die Duale X-Ray-Absorptionsmetrie (DXA), die Biolektrische Imperdanzanalyse (BIA) und die Computertomographie (CT). Obwohl die Methoden in der klinischen Praxis nur von geringer Bedeutung sind, hat sich die Densitometrie als „goldener Standard“ der Fettmassenbestimmung durchgesetzt, an dessen Werten die Spezifität und Sensitivität der einfacheren und kostengünstigeren Methoden gemessen werden.[17] Dazu zählen die Größen-Gewichts-Relationen (Body-Mass-Index, Längen-Soll-Gewicht), die auch als indirekte Methoden bezeichnet werden, und die direkten Methoden, wie Hautfaltendickemessungen und Hüft- bzw. Taillenumfangmessungen.[18]

 

In der Praxis hat sich die Verwendung der Messmethode des Body-Mass-Indexes [BMI = Körpergewicht / Körpergröße² (kg/m²)] weltweit durchgesetzt, da dessen Parameter Körpergröße und Körpergewicht einfach zu messen sind. Zahlreiche Untersuchungen konnten bestätigen, dass der BMI nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen ein akzeptables Maß für die Gesamtkörperfettmasse darstellt, so dass die Anwendung des BMI zur Definition von Adipositas im Kindes- und Jugendalter von der Childhood Group der International Obesity Task Force (IOTF) und der European Childhood Obesity Group (ECOG) empfohlen wird.[19]

 

Tabelle 1 Klassifizierung des Body-Mass-Index nach den Richtlinien der WHO

 

 

Diese Klassifizierung der World Health Organisation (WHO) wurde allerdings anhand des Morbititäts- und Mortalitätsrisikos für Erwachsene 1997 festgelegt und kann nicht zur Bestimmung von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen herangezogen werden, da die Datenlage bezüglich des Gesundheitsrisikos von Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen sowie der Adipositas-assozierten Erkrankungen unzureichend ist.[20] Aufgrund der stark alters- und geschlechtsabhängigen physiologischen Veränderungen der Körpermasse durch das Wachstum und die Pubertätsentwicklung ist ein alters- und geschlechtsspezifischer BMI notwendig.[21] Solche individuellen BMI-Werte für Kinder und Jugendliche können anhand populationsspezifischer Referenzwerte in Form von alters- und geschlechtsspezifischen Perzentilen bestimmt werden. Die Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ) empfiehlt aufgrund fehlender überregionaler BMI-Referenzwerte für Kinder und Jugendliche die Verwendung einheitlicher BMI-Perzentile nach Kromeyer-Hauschild et al.. Diese Perzentile wurden, basierend auf siebzehn früher durchgeführten Untersuchungen aus verschiedenen Regionen Deutschlands, mittels der LMS-Methode nach Cole berechnet.

 

Die Untersuchungen ermittelten die Körpergrößen- und Körpergewichtsdaten von 17.147 Jungen und 17.275 Mädchen im Alter von 0 bis 18 Jahren. Die berechneten BMI-Perzentile sind in den Tabellen 2 und 3 dargestellt.[22]

 

Tabelle 2: Perzentile für den Body Mass Index (in kg/m²) von Jungen im Alter von 0-18 Jahren. (Quelle: Kromeyer-Hauschild, K.; 2005. S. 7.)

 

 

Tabelle 3: Perzentile für den Body Mass Index (in kg/m²) von Mädchen im Alter von 0-18 Jahren. (Quelle: Kromeyer-Hauschild, K.; 2005. S. 8.)

 

 

In den Tabellen kann, abhängig vom Alter, Geschlecht und BMI, abgelesen werden, welches Perzentil (P) durch die LMS-Methode errechnet wurde. „Das jeweilige Perzentil gibt an, wie viel Prozent der gleichaltrigen Kinder gleichen Geschlechts einen niedrigeren BMI-Wert aufweisen (z.B. haben bei P3 3%, bei P97 97% der Kinder einen kleineren BMI).“[23] Die Werte für L (Box-Cox-Powertransformation = Lambda), M (Median) und S (Variationskoeffizient = Stigma) wurden entsprechend des jeweiligen Alters berechnet.

Die LMS-Methode ermöglicht auch die Berechnung von „Standard Deviation Scores“ (SDSLMS). Der SDSLMS-Wert gibt an, „[…] um ein Wie-viel-Faches einer Standardabweichung ein individueller BMI bei gegebenem Alter und Geschlecht ober- oder unterhalb des Medianwertes liegt“[24]. Diese zusätzliche Einteilung ist notwendig, wenn man die BMI-Werte extrem adipöser Kinder (ab dem 99,5 BMI-Perzentil) vergleichen oder die BMI-Veränderungen beurteilen will, da die Perzentilwerte in diesem hohen Bereich keine adäquaten Vergleichsmöglichkeiten bieten.[25] Zudem werden diese Werte als Maß für...

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